„Wir folgen dem Künstler, wo dieser sich erhebt aus dem großen Getriebe der Bestrebungen, die jedes Tun nur
als Mittel zu einem Zweck, jedes Dasein nur als Vorbereitung auf ein zu erwartendes Dasein erscheinen lassen;
nicht als Wirkung auf einem entlegenen Lebensgebiete, noch auch von einer ungewissen Zukunft werden wir
das erwarten, was uns die Kunst sein kann; was sie uns leistet, das leistet sie ausschließlich in sich und in jedem
Augenblicke voll und ganz. Indem sie uns emporführt zu dem Grade der Vergegenwärtigung des Seins, welcher
sich in ihr verwirklicht, befreit sie unseren Geist unwillkürlich von allen den bedingenden Rücksichten unter
denen sich uns das Bild des Lebens darstellt, und erzeugt in uns eine Klarheit des Wirklichkeitsbewußseins, in
der nichts anderes mehr lebt als die an keine Zeit gebundene, keinem Zusammenhänge des Geschehens
unterworfene Gewißheit des Seins. (Konrad Fiedler, Schriften zur Kunst I, S 218f.)
Abstract:
Ein Mensch der sich mit Bildern beschäftigt lässt Sprache im herkömmlichen Sinn ein Stück weit hinter sich.
Ich meine mit Sprache Aussagesätze, die wahr oder falsch sein können, als Metaebene zu einer Welt auf die
sie sich beziehen sollen. Der Aussagesatz will ein Stück Welt beschreiben oder erklären und bleibt dennoch
Satz. Dabei ist die Differenz zwischen der Konstruktion Satz und der Konstruktion Welt niemals aufgehoben.
Das könnte man auch von Bildern behaupten, zumindest dann, wenn sie etwas abbilden möchten. Aber
bildet ein Gemälde etwas ab? Manche tun das. Kann aber ein Satz oder ein Bild selbst die Welt sein?
Das ist das Thema das mich brennend interessiert.
Welchen Strich setze ich, welchen Punkt mache ich. Gibt es einen Grund für diesen Punkt oder gar ein Ziel?
Soll ein Bild entstehen? Hat das Bild dann Bedeutung oder liegt Bedeutung in der Ansammlung an
Vorkommnissen, die während des Auftragens, Hinschläuderns etc.., entstehen? Oder liegt nirgends
Bedeutung? Wirkt das Bild auf die einzelnen Vorkommnisse, die es erzeugen, zurück, oder stehen diese
Vorkommnisse für sich selbst? Sind sich diese Vorkommnisse selbst genug oder bedürfen sie anderer
Vorkommnisse oder eines Trägers der als Bild diese Vorkommnisse zu etwas werden lässt? Das sind
Fragen die mich beschäftigen.
Wann ist denn ein Ereignis die Welt selbst und nicht etwas, dass auf die Welt bezogen wäre?
Ich meine dann, wenn dieses Ereignis für sich selber steht. Ein Punkt ist ein Punkt, wenn er als Punkt für
sich steht und nicht für etwas anderes, worauf er bezogen wäre.
Warum setzt man aber diesen Punkt? Damit er ist wie er ist, müsste jetzt die Antwort lauten. Und was ist er
dann? Ein Punkt so wie er gesetzt ist, nichts weiter.
Aber wo liegt diese Welt, die der Maler erzeugt? Ist es der Punkt da draußen, oder ist es das Erfahren des
Punktes da drinnen? Ist es die Differenzierbarkeit der mannigfachen Erscheinungen? Ist es die
Sensibilisierung im Menschen, oder sind es die Erscheinungen selbst? Oder liegt diese Welt gar
dazwischen? Und wo liegt diese andere Welt, jene Welt, die die Leute die „normale“ nennen?
Ich denke, wir Menschen sind wie Gemälde und auch Welten nie abgeschlossen. Wir sind keine fertigen
Objekte, sondern Prozesse – Ereignisse mit Anfang und Ende – und Bilder bedürfen ebenso der
Partizipation wie wir selbst. Ein Bild hängt nur augenscheinlich an der Wand, aber eigentlich entsteht das
Bild erst zwischen dem „Objekt Bild“ (das an der Wand hängt) und dem Betrachter – oder zwischen der
Wand, Staffelei… und dem Maler – oder vielleicht besser: immer beides gleichzeitig vereinnahmend/
schaffend. Der Betrachter wird zum Betrachter im Moment der Betrachtung und das Bild zum Bild im
Moment des Bildens. In dieser Art von Prozessen (und nur in diesen) erschaffen wir eine Welt (erschaffen
wir Welten) und gleichursprünglich erschaffen wir auch uns selbst.
In diesem Sinne scheint die Welt der Malerei tatsächliche eine Welt zu sein. Diese Welt entsteht (wie jede
andere Welt) im Moment des Erschaffens – durch den Maler und durch den Rezipienten gleichermaßen –
und sie bietet uns (wie jede andere tatsächliche Welt) eine Antithese zu Einfachheit, Zweckrationalität,
Äußerlichkeit, Oberflächlichkeit, …usw.
Beschriebenes, Katalogisiertes, Schubladiertes, verliert in diesem Zusammenhang zunehmend mein
Interesse. Erklärende, beschreibende Sprache wirkt aus der Perspektive „schöpferischer“ Prozesse
oberflächlich. Was erklärt werden kann, scheint oft nicht Wert auch nur ein Wort darüber zu verlieren.
Mich interessiert das Andere.
Siegfried Füreder, Leipzig, am 11.September 2013